
Neue Chemie
(Forum West)
1998 (1995 Planungsbeginn)

Hinter der Zentralmensa erstreckt sich am Duesburgweg ein neues Forum: Der Neubau des Fachbereichs Chemie. 1998 gebaut, nimmt der Großbau mit seiner U-Form die Struktur des östlichen Forums auf und schließt das JGU-Campusgelände vorläufig ab. Das Stuttgarter Architekturbüro Heinle, Wischer & Partner hat einen dreigliedrigen Komplex geplant, der sich durch eine unkonventionelle und dennoch intelligente Wegeführung auszeichnet. Das Herz des Bauwerks bildet das komplett gläserne, offene Foyer mit dynamischen Treppenaufgängen, Brücken und Galerien im Industriecharme.

Ein zeitgenössischer Gegenpol zur ehemaligen Flakkaserne
An den großen, fast quadratischen Innenhof schließen so ein neues Hörsaalzentrum (Baubeginn 2005) und der Trakt der physikalischen Chemie an das Hauptgebäude an. Die Bereiche für Forschung und Lehre sowie der Verwaltung sind klar differenziert. Der westliche Haupttrakt beherbergt die Dienstzimmer, dahinter liegt die Eingangshalle mit annektierten Forschungstrakten. Im Süden ist der Längsbau mit Bibliothek und Hörsälen angefügt. Im Norden befinden sich zwei rechteckige Anbauten, die physikalische Chemie und das Dekanat. Alle Bereiche werden sowohl durch viergeschossige, komplett transparente Glaskorridore als auch eine offene Eingangshalle verbunden.
Der Architekt Winfried Schmidbauer plante von Beginn an die offenkundige Bezugnahme auf das Forum bzw. die ehemalige Flakkaserne. Ziel war es, den gesamten Campus mit einer städtebaulichen Klammer zu versehen: Im Osten erstreckt sich der ursprüngliche Haupteingang und eröffnet das Areal, während im Westen der Neubau der Chemie den Campus abschließt. Dazwischen entfaltet sich eine Vielzahl an Bautypen, Formensprachen und Quartieren, die aus den unterschiedlichsten Bauphasen von 1950 bis 2021 stammen.

Der Architekt Winfried Schmidbauer plante von Beginn an die offenkundige Bezugnahme auf das Forum bzw. die ehemalige Flakkaserne. Ziel war es, den gesamten Campus mit einer städtebaulichen Klammer zu versehen: Im Osten erstreckt sich der ursprüngliche Haupteingang und eröffnet das Areal, während im Westen der Neubau der Chemie den Campus abschließt. Dazwischen entfaltet sich eine Vielzahl an Bautypen, Formensprachen und Quartieren, die aus den unterschiedlichsten Bauphasen von 1950 bis 2021 stammen.
Auch stilistisch setzt der westliche Neubau ein Statement: Während das Forum eine dem barocken Schlossbau entlehnte Achsensymmetrie im Heimatschutzstil aufweist, zeigt sich die Chemie bewusst im aufgelockerten, transparenten Gewand. Die U-Form wird ergänzt durch angefügte, kleinteilige Baugruppen, ähnlich wie sich chemische Verbindungen aus Atomen zusammenfügen. So sind kammartige Einzeltrakte für die Forschung an die Haupthalle angebunden. Und auch die Fassadengestaltung setzt sich aus mehreren Strukturen und Materialien zusammen, sodass kein Abschnitt dem anderen gleicht. Somit findet hier ein Rückbezug auf die Entstehungsgeschichte der JGU auf dem Areal der Flakkaserne statt, während die moderne offene Gestaltung auf die Zukunft der Wissenschaften im 21. Jahrhundert verweist.


Luftigkeit und Leichtigkeit für den Fachbereich Chemie
Das Ergebnis ist ein sowohl in Gliederung als auch Konstruktion offener Bau: Immer wieder brechen die vollverglasten Verbindungskorridore aus der Fassade hervor und vermitteln bereits von außen den Eindruck von Leichtigkeit. Stahl-Glas-Fassaden und eine Glasdachkonstruktion mit Aluminium-Fensterbändern und teils helltürkisenen Blechverkleidungen zeichnen den Neubau aus. Dadurch erhält das Gebäude einen stark industriellen, der der späten High-Tech-Architektur ähnlichen Charakter. Zeitgleich sorgt der Einsatz von Betonplatten als Fassadenverkleidung für einen beinahe warmen Farbklang. Vor allem die Symbiose aus bläulich getöntem Sonnenschutzglas, Stahl und Aluminium mit Beton sorgt für einen spannungsreichen Farb- und Strukturenmix. Der Südtrakt ist mit türkisenen Stahlbrüstungen bzw. Umläufen versehen. Geteilt wird er durch einen gläsernen Risalit mit feinteiligen Sonnenblenden. Der Nordtrakt weist dagegen eine ruhigere Gliederung mit sich abwechselnden Fensterbändern und türkisenen Verblendungen auf. Der Haupttrakt zeigt sich in einer zurückgenommenen, weißen Aluminiumverkleidung mit Fensterbändern. Das Erdgeschoss ist freigestellt mit Rundstützen, wodurch der Diensttrakt zu schweben scheint. Die drei Gebäudeteile, die sich zu einem „U“ zusammenfügen, sind an ihren Verbindungsstellen nicht ganz geschlossen.
Vielmehr kann man zwischen den Bauelementen hindurchwandern, da sich hier Passagen und Unterführungen öffnen. Dies dient speziell einer schnellen äußeren Wegeführung, die verhindert, den großen Komplex gänzlich umgehen zu müssen.


Transparenz, Kommunikation, Austausch
Eine Überraschung bietet die luftige, vollverglaste Eingangshalle, die von außen durch den vorgeschobenen Diensttrakt nicht sichtbar ist. Sie ist unmittelbar verbunden mit den viergeschossigen Glaskorridoren links und rechts, die zu den Nebengebäuden führen.
Eine Überraschung bietet die luftige, vollverglaste Eingangshalle, die von außen durch den vorgeschobenen Diensttrakt nicht sichtbar ist. Sie ist unmittelbar verbunden mit den viergeschossigen Glaskorridoren links und rechts, die zu den Nebengebäuden führen. Die Materialvielfalt an der Außenseite setzt sich im Inneren fort: Stahltreppen, Aluminiumleisten für Lichtstrahler und das Stahl-Glas-Dach erzeugen eine Wirkung, die der des modernen Industriebaus gleicht. Die Halle wirkt beinahe roh und zugleich funktional. Auch hier kommt Beton zum Einsatz und führt den kühlen Fabrikcharakter in eine warme einladende Atmosphäre über.
Die Eingangshalle strotzt vor Details, wobei der Fokus auf dem ausgeklügelten Treppensystem liegt: Die Erschließung der Etagen beginnt von zwei Treppen im Erdgeschoss aus, die jeweils zu hängenden Korridorbrücken leiten, von denen aus weitere Treppen in die höheren Geschosse abgehen. So entsteht ein offenes und zugleich dynamisches Wegenetz aus Brücken und Treppen. Zusätzlich zu den Hauptgeschossen sind Zwischengeschosse eingeschoben, die frei schweben und als Aufenthaltsorte gedacht sind. Hier entstehen Ebenen der Kommunikation, Treffpunkte während den Pausen. Darüber hinaus wird so symbolisch die Synergie zwischen Forschung und Lehre transportiert: Während die Eingangshalle die Labore und Hörsäle verbindet, fügen die Zwischenebenen die einzelnen Aspekte universitären Lebens zusammen.

Verpflichtung an die klassische Moderne


Ein neues Quartier entsteht
Schon in den 1980er Jahren, als eine Bestandsaufnahme der Campusgebäude vorgenommen wurde, kristallisierte sich heraus, dass die Gebäude der Alten Chemie aus den Jahren 1930 und 1950, die zwischen Jakob-Welder-Weg und Johann-Joachim-Becher-Weg errichtet wurden, veraltet waren. Teile der Räume waren aufgrund von überschrittenen Grenzwerten bereits geschlossen, Labore zu klein. Eine Sanierung wäre schon aufgrund der inzwischen zu kleinen Räumlichkeiten nicht tragfähig gewesen.

